Langlebigkeit neu betrachtet: MUSKELMASSE ALS SCHLÜSSEL ZU GESUNDEM ALTERN

01.05.24 12:00 AM Von Mag. Julia Tulipan

Who wants to live forever?

Langlebigkeit – ein Thema, das nicht nur durch die Jahrhunderte hindurch die Menschheit fasziniert hat, sondern auch heute in der Wissenschaft hochaktuell ist. Es gibt wohl kaum eine Kultur, in der nicht Geschichten eines mystischen Quells ewiger Jugend in der ein oder anderen Form zu finden ist. Die Endlichkeit unserer Existenz ist das eine. Aber was viel wichtiger ist, ist die Frage, wie wir die letzten Jahre dieser Existenz verbringen. Somit hat Longevity nicht nur damit zu tun, um wieviel Jahre wir unsere Lebensspanne verlängern können, sondern wie viele dieser Jahre in Gesundheit und ohne Behinderung verbracht werden. Man spricht hier auch von qualitätskorrigierten Lebensjahren (englisch: quality-adjusted life year oder QALY).

Langlebigkeit: Mehr als nur Fasten und Proteinrestriktion

Die moderne Forschung zum Thema Langlebigkeit konzentriert sich häufig auf Praktiken wie Fasten und eine reduzierte Proteinzufuhr. Diese Ansätze können durchaus sinnvoll sein und haben ihre Berechtigung, doch Langlebigkeit ist ein vielschichtiges Phänomen, das über diese Maßnahmen hinausgeht. Es ist auch ganz wichtig hervorzuheben, dass all diese Studien ausschließlich an Modellorganismen wie Hefepilzen, Würmern, Fruchtfliegen und Mäusen gemacht wurden. Wir müssen sehr vorsichtig damit sein, Erkenntnisse aus diesen Versuchen, direkt auf den Menschen übertragen zu wollen. 


Es ist wichtig zu erkennen, dass ein ganzheitlicher Ansatz, der auch die Erhaltung der Muskelmasse und die Versorgung mit allen Mikronährstoffen sicherstellt, entscheidend für das gesunde Altern ist. Worauf auch einer der bekanntesten Longevity-Forscher Dr. Valter Longo hinweist.1


Ein Verlust an Muskelmasse, auch bekannt als Sarkopenie, ist nicht nur ein Problem älterer Menschen.2 Junge Menschen können ebenfalls betroffen sein, insbesondere wenn ihr Lebensstil wenig Bewegung und eine unausgewogene Ernährung beinhaltet.3 Studien zeigen, dass der Verlust von Muskelmasse bereits im Alter von 30 Jahren beginnt. Wie viel Muskelmasse verloren geht, variiert von Person zu Person, aber Untersuchungen deuten darauf hin, dass etwa 2% bis 7% der Muskelmasse alle 10 Jahre verloren gehen. Diese Rate steigt, nach dem 60. Lebensjahr noch einmal an. 4


Die Erhaltung 
und sogar der Aufbau von Muskelmasse ist daher ein zentraler Faktor, der in jedem Alter berücksichtigt werden sollte, um die Lebensqualität zu verbessern und die Lebensspanne zu verlängern.5

Die Rolle von Muskel- und Knochenmasse

Muskel- und Knochenmasse sind fundamentale Pfeiler unserer Gesundheit und somit Schlüsselorgane der Langlebigkeit. Studien zeigen, dass insbesondere bei Frauen häufig ein Mangel an Muskelmasse vorliegt, was weitreichende Folgen für die Gesundheit haben kann. Diese Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit, Muskeln und Knochen als zentrale Elemente in der Diskussion um Langlebigkeit und gesundes Altern zu berücksichtigen. Muskeln spielen nicht nur eine entscheidende Rolle für unsere Beweglichkeit und Stärke, sondern sind auch eng mit unserem metabolischen Gesundheitszustand verknüpft. Ein gesunder Muskelapparat trägt zur Regulierung des Blutzuckerspiegels bei, unterstützt den Fettstoffwechsel und wirkt entzündungshemmend. Ebenso sind gesunde Knochen nicht nur für unsere Stabilität und Mobilität wesentlich, sondern auch für die Speicherung von Mineralien und die Produktion von Blutzellen im Knochenmark.

Unterernährung und die Gefahren eines Proteinmangels

YEine ausgewogene Ernährung, insbesondere eine ausreichende Proteinzufuhr, ist essenziell für die Erhaltung der Muskel- und Knochenmasse. Proteinmangel kann zu einer Reihe von Gesundheitsproblemen führen, darunter ein erhöhtes Risiko für Infektionen, Muskelschwund und eine Abnahme der Knochendichte. Dies wiederum kann zu einer erhöhten Sterblichkeit führen. Eine ausreichende und qualitativ hochwertige Proteinzufuhr ist daher unerlässlich. Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Menschen im Allgemeinen zu viel Protein konsumieren. In Wahrheit erreichen viele Menschen, insbesondere Frauen und ältere Erwachsene, nicht die empfohlenen Tagesmengen an Protein, was ihre Gesundheit und Langlebigkeit beeinträchtigen. Die richtige Menge und Qualität der Proteinzufuhr kann den Unterschied zwischen einem langen, gesunden Leben und einer von Krankheit geprägten Existenz ausmachen. 


Gesamteiweiß oder Totalprotein – testen Sie ihre Eiweißversorgung 

Mit dem Laborwert Totalprotein (TP) wird der gesamte Eiweißgehalt der Blutflüssigkeit gemessen. Dieser Laborwert gibt einen guten Einblick, wie gut Ihre Eiweißreserven gefüllt sind. Der Normwert liegt zwischen 6,5 und 8,5 g/dL – idealerweise sollte der Wert nicht unter 7,5 g/dL liegen.

Die Komplexität von Ernährung und
Langlebigkeit

Eine gesunde Ernährung ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Nährstoffe, die unseren Körper in seinen vielfältigen Funktionen unterstützen. Während bestimmte Ernährungsformen wie die ketogene Diät Fasteneffekte imitieren und Vorteile für die Blutzuckerregulation und Entzündungshemmung bieten können, ist es wichtig, eine Ernährungsweise zu finden, die individuellen Bedürfnissen und Lebensumständen gerecht wird.

Ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl die Qualität der Ernährung als auch regelmäßige körperliche Aktivität berücksichtigt, ist entscheidend für die Förderung der Langlebigkeit. Die Kombination aus Krafttraining, einer ausgewogenen Zufuhr hochwertiger Proteine und einem aktiven Lebensstil bildet das Fundament für ein langes und gesundes Leben.

Quellen

1. Fontana, Luigi, Linda Partridge, and Valter D. Longo. "Dietary restriction, growth factors and aging: from yeast to humans." Science (New York, NY) 328.5976 (2010): 321.

2. Camargo Pereira, Cristina, et al. "Low muscle mass and mortality risk later in life: A 10-year follow-up study." Plos one 17.7 (2022): e0271579.

3. Jung, Han Na, Chang Hee Jung, and You-Cheol Hwang. "Sarcopenia in youth." Metabolism (2023): 155557.

4. Dodds, Richard Matthew, et al. "The epidemiology of sarcopenia." Journal of Clinical Densitometry 18.4 (2015): 461-466.

5. Hao, Qiukui, et al. "The role of frailty in predicting mortality and readmission in older adults in acute care wards: a prospective study." Scientific reports 9.1 (2019): 1207.

6. Cho, Eun-Jeong, et al. "Role of exercise in estrogen deficiency-induced sarcopenia." Journal of exercise rehabilitation 18.1 (2022): 2.

Erschienen in:

Reformleben Magazin

Ausgabe Nr. 56 (Juli/Aug. 2024)

Zur Biologie des Alterns

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Was versteht man unter Sarkopenie und Gebrechlichkeit?


Sarkopenie, der altersbedingte Verlust von Muskelmasse und -funktion, ist ein Schlüsselfaktor, der die Lebensqualität und die Langlebigkeit erheblich beeinflusst. Dieser Prozess beginnt bereits in relativ jungen Jahren und schreitet, wenn unbeachtet, stetig voran. Die Folgen sind nicht nur eine verringerte körperliche Leistungsfähigkeit, sondern auch ein erhöhtes Risiko für Stürze, Knochenbrüche und eine generelle Abnahme der Lebensqualität.


Gebrechlichkeit (Frailty) ist eng mit Sarkopenie verknüpft und bezeichnet einen Zustand erhöhter Vulnerabilität, der die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Stressoren vermindert. Die Prävention von Sarkopenie und Gebrechlichkeit durch gezieltes Krafttraining und eine proteinreiche Ernährung ist daher ein zentraler Ansatz, um die Gesundheit im Alter zu fördern und die Lebensspanne zu verlängern.

Was passiert wenn du zu wenig Muskelmasse hast?


Ein Rückgang der Muskelmasse kann sich auf die allgemeine Gesundheit und die Lebenserwartung auswirken. Die Forschung hat gezeigt, dass Sarkopenie zu nachteiligen gesundheitlichen 
Folgen führen kann, wie zum Beispiel: 6
  • Gebrechlichkeit
  • Osteoporose
  • Metabolisches Syndrom
  • Abmagerungssyndrom (d. h. Kachexie)
  • Tod
  • Invalidität
  • Verlust der Unabhängigkeit
Mag. Julia Tulipan

Mag. Julia Tulipan

https://juliatulipan.com/

Frau Tulipan ist Biologin und Master of Science in klinischer Ernährungsmedizin. Die Liebe zur Naturwissenschaft begleitet sie schon ihr ganzes Leben und bildet die Grundlage ihrer Beratungsphilosophie.