Alle Welt redet über Fett und Kohlenhydrate, doch wird in der Diskussion der dritte Hauptnährstoff, das Protein, oft gänzlich übersehen. Tatsächlich sollte das Protein den Platz im Rampenlicht einnehmen. Ist es doch so zentral in allen Lebensprozessen.
Aminosäuren – Bausteine des Lebens
Proteine, im Deutschen auch einfach als Eiweiße bezeichnet, sind unglaublich komplexe Moleküle. Winzige, biologische Maschinen, die eine Vielzahl an Aufgaben in unserem Körper erfüllen. Alle Proteine bestehen aus einzelnen Aminosäuren. Es gibt 22 verschiedene Aminosäuren und die Reihenfolge der einzelnen Aminosäuren bestimmt, ähnlich einem Fingerabdruck, die Art des Proteins. Proteine bestehen aus mehreren, ineinander gefalteten, langen Ketten von Aminosäuren. Dadurch können Proteine komplizierte, dreidimensionale Strukturen bilden, die dann zum Beispiel als Transportkanäle in der Zellmembran eingebettet sind.
Das Protein ist unter den Makronährstoffen einzigartig. Auch wenn Aminosäuren, die aus Proteinen gewonnen werden, für Energiezwecke verwendet werden können, steht es in der Regel nicht ganz oben auf der Liste. Dies bildet einen Gegensatz zu Kohlenhydraten und Fetten, die in erster Linie als Energieressourcen des Körpers fungieren.
Wofür braucht man Proteine?
Wenn Sie das Wort „Proteine“ hören, welche Bilder kommen Ihnen in den Sinn? Bodybuilder? Muskelprotze? Keine Sorge, diese Assoziation haben sicher ein Großteil der Menschen. Wie schon angedeutet, Proteine können so vieles mehr. Ich darf Ihnen auch gleich die Sorge, oder die Hoffnung nehmen, je nachdem in welches Lager Sie fallen, Sie werden nicht automatisch zu Arnold Schwarzenegger werden, nur weil Sie mehr Protein essen. Dazu gehört noch viel, viel mehr.
Proteine sind wichtig für Aufbau und Erhalt von Muskelmasse, aber Proteine sind ebenfalls essenziell für: Knochendichte, Knorpel, Sehnen und Bänder, Enzyme, Haut und Haare, Hormone und Nervenbotenstoffe.
Auch wenn die echten Proteinmangelerkrankungen wie Marasmus und Kwashiorkor in den Industrieländern sehr selten sind, ist ein latenter Proteinmangel bzw. eine Proteinunterversorgung sehr häufig.
Zeichen für Proteinmangel - Übersicht
- Verlust von Muskelmasse
- Heißhungerattacken
- Schlafstörungen
- Stimmungsschwankungen
- Trockene Haut und trockene Augen
- Verminderte Knochendichte
- Cellulite und schlechtes Bindegewebe
- Gestörte Wundheilung
- Häufige Infekte
Wie viel Protein brauche ich?
Der Proteinbedarf ist in erster Linie vom Körpergewicht und vom Alter abhängig. Hat man hier eine Basismenge ermittelt, dann kommen noch weitere Faktoren hinzu, die den Proteinbedarf noch weiter erhöhen, wie sportliche Aktivität, Stress oder chronische Erkrankungen.
Viele Fachgesellschaften, wie die DGE, empfehlen eine tägliche Proteinaufnahme von 0,8 g pro kg Körpergewicht. Das ist jedoch viel zu wenig. Dieser Wert kommt aus Empfehlungen der WHO zur Minimalversorgung mit Protein, um schwere Mangelerkrankungen zu vermeiden, nicht jedoch um eine optimale Versorgung zu gewährleisten.
Aktuelle Arbeiten, bei denen mit modernsten Techniken der tatsächliche Proteinbedarf gemessen wurde, zeigten ein anderes Bild. Wenig aktive Personen haben einen minimalen Proteinbedarf von 1,2–1,6 g pro kg Körpergewicht, also rund das Doppelte der aktuell geltenden Empfehlungen.1 Die Ernährungsgesellschaften sind hier gefordert, die Empfehlungen, entsprechend der aktuellen Wissenschaft, schnellstmöglich anzupassen, denn die Unterversorgung mit lebenswichtigen Proteinen hat, wie wir schon besprochen haben, schwerwiegende Konsequenzen. Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit, in der die Daten von rund 20.500 Patienten ausgewertet wurden, kommt zu dem Ergebnis, je weniger Protein gegessen wird, umso höher ist das Risiko für Osteoporose.2
Zu viel Protein, geht das?
Kurz gesagt, es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, die zeigen würde, dass eine übermäßige Proteinzufuhr nachteilige Folgen hat. Als hohe Proteinzufuhr wird im Allgemeinen eine Menge von mehr als 200 g pro Tag bezeichnet. 3
Ich möchte es noch einmal betonen: „Viel Protein“ heißt: deutlich über dem Bedarf. Wenn der Bedarf bei 1,5 g pro kg Körpergewicht liegt, dann muss ein 75 kg schwerer Mensch rund 113 g Protein pro Tag zu sich nehmen. Es bedarf schon einer bewussten Anstrengung, diese Menge an Protein täglich unterzubringen. Es ist daher beinahe unmöglich, über einen längeren Zeitraum hinweg, übermäßig Protein zu sich zu nehmen.
Protein ist nicht gleich Protein
Vielleicht haben Sie schon einmal den Begriff „Bioverfügbarkeit“ gehört. Das bedeutet, je nachdem aus welcher Quelle das Protein kommt, wird es besser oder schlechter vom Körper aufgenommen und anschließend auch in körpereigene Proteine umgesetzt. Grundsätzlich ist tierisches Protein besser bioverfügbar als pflanzliches Protein.
Wie wird die Bioverfügbarkeit bestimmt?
Proteine bestehen aus Aminosäuren. Die Qualität von Protein richtet sich nach drei Merkmalen. Erstens, wie viel von welchen Aminosäuren enthalten ist. Zweitens die Menge, die aufgenommen werden kann und drittens die Rate, mit der neue Proteine im Körper aufgebaut werden (= Proteinsyntheserate).
All diese Aspekte werden im sogenannten DIAAS abgebildet. DIAAS steht für „Digestible Indispensible Amino Acid Score“. Der DIAAS wird von der FAO (Food and Agricultural Organisation of the United Nations) seit 2013 zur Einschätzung der Proteinqualität für die menschliche Ernährung empfohlen. Sie soll den veralteten PDCAAS ablösen.4
Leider wird in den meisten Empfehlungen immer noch der veraltete PDCAAS verwendet, der viele pflanzliche Proteinquellen in ihrer Qualität überschätzt. Als Daumenregel gilt: Bei pflanzlichen Proteinen müssen ca. 30 % abgezogen werden, um auf die tatsächlich verfügbare Proteinmenge zu kommen.
Um sich das besser vorstellen zu können, habe ich in der nebenstehenden Tabelle 1 einige Beispiele gerechnet. Sie sehen den DIAAS Faktor, den ausgewiesenen Proteingehalt je 100 g und dann den tatsächlich verfügbaren Proteinanteil je 100 g.
Nicht nur hat der durchschnittliche Erwachsene allein mit der erforderlichen Menge Linsen schon die Tagesmenge an erlaubten Kalorien erreicht. Die Linsen liefern auch die nicht unerhebliche Menge von 218 g Kohlenhydraten. Bitte bedenken Sie, da haben Sie aber sonst noch nichts gegessen.
Die pauschale Empfehlung durch die Politik und verschiedene Ernährungsgesellschaften einer primär pflanzlichen Ernährung ist hinsichtlich dieser Daten mit Vorsicht zu begegnen. Besonders ältere Personen und Kinder laufen Gefahr einer mangelhaften Versorgung mit Protein bei gleichzeitigem Überschuss an Kohlenhydraten – mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit. Hier wird auch in Zukunft die große Herausforderung für die Entwickler pflanzlicher Proteinalternativen liegen.
Viele pflanzliche Alternativen sind zwar geschmacklich und optisch schon sehr nah am „Original“, können aber oft in Sachen Nährwerte noch nicht überzeugen (siehe Tabelle 2).
Welche Alternativen zu tierischem Protein gibt es?
Es gibt viele Menschen, die z. B. Milchprodukte nicht vertragen oder aus anderen Gründen keine tierischen Produkte zu sich nehmen können oder wollen.
Für diese Personengruppe stellt die Versorgung mit hochwertigen Proteinen eine besondere Herausforderung dar. Es gibt mittlerweile die unterschiedlichsten pflanzlichen Proteinpulver am Markt, doch nicht alle sind gleichwertig.
Bei der Auswahl pflanzlicher Proteinquellen sind drei Hauptkriterien von Bedeutung:
- hoher Proteingehalt
- niedriger Kohlenhydratgehalt
- wenig Anti-Nährstoffe
Am besten Reis- und Erbsenprotein wählen
Reisprotein enthält wenig Lysin, weist dafür aber einen hohen Wert an Tyrosin und Methionin auf. Erbsenprotein wiederum enthält viel Lysin, aber wenig Tyrosin und Methionin. Die Ergänzung dieser beiden Aminosäurenprofile macht Reisprotein und Erbsenprotein zu einer sinnvollen, und folglich beliebten Proteinmischung. Zudem ergänzen sich die beiden Proteine geschmacklich sehr gut.
Fazit
Machen Sie die Versorgung mit hochwertigen Proteinen zu einer Priorität und vergessen Sie eventuelle Sorgen zum Überkonsum. Machen Sie sich einmal die Mühe, und erfassen Sie die Proteinmenge, die Sie pro Tag zu sich nehmen. Errechnen Sie Ihren Proteinbedarf und stellen Sie sich einen Tagesteller mit all Ihren Lieblingsproteinen zusammen. Wählen Sie hochwertige Proteinquellen und achten Sie auf eine ausreichende Proteinzufuhr für optimale Gesundheit.