Tausendsassa oder Rohrkrepierer?

01.11.24 12:00 AM Von Redaktion

Qualität von Probiotika

Breitbandprobiotika sind Präparate mit Milchsäurebakterien, die für ein breites Wirkspektrum eingesetzt werden können. Wichtige Einsatzgebiete sind der (Wieder-) Aufbau der Darmflora, z.B. nach Antibiotikaeinnahme, die Unterstützung bei darmassoziierten Erkrankungen, die Stärkung des darmbasierten Immunsystems und vieles mehr. Immer neue Studien zeigen die vielfältigen Einsatzbereiche dieser kleinen Helferlein für das Mikrobiom. Deshalb werden solche Präparate für die Darmflora zu Recht immer beliebter. Kein Wunder, dass das Angebot an Präparaten für das Darm-Mikrobiom immer größer wird und leider auch zunehmend minderwertige Produkte den Markt überschwemmen. Viele Verbraucher fragen sich, woran man ein gutes Präparat erkennen kann. Dazu an dieser Stelle ein paar wichtige Kriterien, die auch von der ipa (international probiotic association) genannt werden.

Anzahl der lebenden Bakterien

Auf der Verpackung sollte ganz klar angegeben sein, wie viele Bakterien pro Tagesdosis bzw. in jeder Kapsel enthalten sind. Ob es sich um ein Massenprodukt mit nur ein paar Milliarden oder um ein hoch dosiertes Präparat mit 48 bis 210 Milliarden Bakterien handelt, kann so schnell erfasst werden. Wichtig: Die angegebene Menge sollte die Menge an lebenden Mikroorganismen am Ende der Haltbarkeitsdauer angeben und nicht zum Zeitpunkt der Herstellung. Im zweiten Fall kann es nämlich sein, dass dann zum Zeitpunkt des Kaufes oder spätestens am Ende der Mindesthaltbarkeit kaum noch lebende Bakterien im Präparat enthalten sind. Manche Hersteller sind beim Tricksen in diesem Bereich sehr kreativ und bezeichnen die enthaltenen Bakterien teilweise als „Postbiotika“. Darunter versteht man inaktivierte probiotische Stämme oder Teile von Probiotika. Postbiotika wirken aufgrund ihrer Rezeptorstrukturen, für die es das entsprechende Gegenstück im Darm gibt, zum Beispiel auf den Immunzellen in der Darmschleimhaut. Postbiotika werden aufgrund dieser Rezeptoren ganz speziell entwickelt und ausgesucht. Die aufgrund ihrer Minderwertigkeit im probiotischen Präparat abgestorbenen Bakterien einfach als Postbiotika zu bezeichnen, ist schon eine dreiste Irreführung des Verbrauchers.

Genaue Charakterisierung der verwendeten Milchsäurebakterien

Ein Probiotikum ist nicht gleich ein Probiotikum. Innerhalb der Arten gib es große qualitative Unterschiede. Deshalb muss für jedes Bakterium auf der Verpackung die exakte Gattung (z.B. Laktobazillus), die Art (z.B. rhamnosus) und vor allem der genaue Stamm angegeben werden (z.B. Lr-32). Wenn ein Hersteller den Stamm nicht nennt, weiß man nichts über dessen Qualität. Vielleicht wurde hier ein minderwertiger Stamm irgendwo günstig eingekauft und verarbeitet. Nur die genaue Bezeichnung des Stamms lässt Rückschlüsse auf die Qualität und Wirksamkeit zu, denn vorhandene Humanstudien beziehen sich nicht auf die Art, sondern auf den konkreten Stamm. Um es einmal anschaulich zu machen: Wir möchten ein Luxusauto kaufen. ‚Auto‘ ist dabei die ‚Gattung‘. Wir entscheiden uns für einen Mercedes, der in diesem Fall die ‚Art‘ wäre. Wenn wir diesen Mercedes kauften, ohne den ‚Stamm’ zu kennen, könnten wir eine S-Klasse bekommen oder mit einer A-Klasse abgespeist werden. Am wahrscheinlichsten ist die A-Klasse, denn wenn es sich um eine S-Klasse gehandelte hätte, hätte der Verkäufer dies sicher konkret benannt. Und genauso verhält es sich mit den Bakterien. Werden die Stämme nicht konkret benannt, sind sie vermutlich nicht so leistungsstark.

Möglichkeit der individuellen Dosierung

Einige Anbieter packen die gesamte Menge der für eine Tagesdosis vorgesehenen Bakterien in eine Kapsel. Dies scheint auf den ersten Blick praktisch – man braucht dann ja nur eine Kapsel am Tag einzunehmen. Auf den zweiten Blick ist dies jedoch ein Nachteil. Es ist nämlich besser, die lebenden Bakterien verteilt über den Tag hinweg einzunehmen, um eine gleichmäßige Versorgung des Mikrobioms mit zusätzlichen Milchsäurebakterien zu gewährleisten. Bei einem hochdosierten Probiotikum (ab 48 Milliarden Bakterien pro Tagesdosis) ist es somit am besten, die eine Hälfte morgens und die andere Hälfte abends einzunehmen, um die Bakterien alle 12 Stunden gleichmäßig in alle Darmabschnitte zu verbringen. Hinzu kommt, dass bei einer Aufteilung der Tagesdosis auf mehre Kapseln auch eine einschleichende (d.h. sich langsam steigernde) Dosierung sowie eine individuelle Dosierung möglich ist. Denn nicht jeder benötigt bei einem sehr hoch dosierten Probiotikum die volle Dosis.

Angemessener Preis

Es muss an dieser Stelle auch ausdrücklich vor zu billigen Angeboten gewarnt werden. Hochwertige Bakterienstämme, also solche, die hoch dosiert sind, eine hohe Säureresistenz und eine gute Anhaftungsfähigkeit haben, die stabil gegen Antibiotika sind und für die eine umfangreiche Studienlage vorhanden ist, haben ihren Preis. Bei guten Präparaten werden die enthaltenen lebenden Milchsäurebakterien zudem mit einer säureresistenten Kapselhülle geschützt, die den Inhalt erst im Darm freigibt. Damit wird sichergestellt, dass die empfindlichen Mikroorganismen die Magenpassage gut überstehen. Zu billige Probiotika können all diese Kriterien faktisch nicht erfüllen.

Weitere Inhaltsstoffe

Neben den lebenden Milchsäurebakterien sollten nur noch Substanzen im Präparat enthalten sein, die sinnvoll sind. Dazu gehören zum Beispiel B-Vitamine. Zum einen fördern sie das Wachstum der Milchsäurebakterien, zum andern haben sie eine positive Wirkung auf die Darmschleimhaut. Biotin beispielsweise fördert die Regeneration der Darmzellen und die Schleimproduktion, unterstützt die Regulation von Entzündungsprozessen, stärkt die Barrierefunktion und ist an der Energieversorgung der Darmschleimhaut beteiligt. Bei Substanzen, die als Aromen, Füll- und Farbstoffe dienen wie zum Beispiel das krebserregende Titandioxid, sollte man allerdings vorsichtig sein. Ein Blick auf die Zutatenliste kann daher sinnvoll sein.

Fazit: Genau hinschauen

Die Auswahl an probiotischen Produkten ist riesig. Wer ein hochwertiges und wirksames Präparat sucht, sollte sich die Verpackung genau angucken: Sind die konkreten Bakterienstämme genannt? Welche weiteren Stoffe sind enthalten? Ist das Produkt hoch dosiert? Sind die Kapseln durch eine säureresistente Kapsel geschützt? Auch beim Hersteller sollte man sich informieren. Hat er Erfahrung in der Herstellung von Probiotika? Garantiert er die Zahl lebender Bakterien bis zum Ende des Mindeshaltbarkeitsdatums? Kann er Studien zu den von ihm verwendeten Stämmen vorlegen? Nur wenn diese Fragen mit „ja“ beantwortet werden können, kann man von einem qualitativ hochwertigen Darmflora-Präparat ausgehen.

Erschienen in:

Reformleben Magazin

Ausgabe Nr. 59 (Nov./Dez. 2024)

Akut geschützt, langfristig gefährdet

Warum unser Gesundheitssystem uns nicht vor chronischen Krankheiten bewahrt

Bestellen
Redaktion

Redaktion