Die Lebensmitte ist ein bedeutsamer Moment. Selbstverständlich kann niemand genau sagen in welchem Jahr – und schon gar nicht an welchem Tag – dieser Zeitpunkt erreicht wird bzw. erreicht wurde. Erst im Nachhinein könnte man das sagen, wenn die eigene Lebensdauer bekannt ist. Aber dann kann man selber nicht mehr viel Konstruktives damit anfangen. Sinnvoller ist es, möglichst lange vorher das Notwendige für eine gute, gesunde Zeit zu tun.
Gipfelerfahrung der Lebensmitte
Ohnehin wird die Lebensmitte auch ohne exaktes Datum gut spürbar: als eine Art Gipfelerfahrung. War bis dahin der Aufstieg, manchmal steil, manchmal mühsam, mit etlichen Rückschlägen, ist irgendwann ein Plateau erreicht, mehr oder weniger hoch befindlich, und von dieser Höhe aus sieht man/frau schon den Pfad des Abstiegs, der sich durch grüne Felder, Wälder, aber auch durch steinige Abschnitte, vielleicht auch durch ein Sumpfgebiet, ins Tal schlängelt.
Stoffwechsel pflegen
Ahnend gefühlt wird die Lebensmitte, wenn die eigenen Kräfte nicht mehr so deutlich weiterwachsen, wenn Phasen von Müdigkeit und Schwäche belasten, wenn hier und da eine marginale Funktionsstörung auftritt. Oftmals geht es dann auch wieder mal besser. Im Laufe der Zeit aber nehmen körperliche Probleme doch zu – manch eine Krankheit entsteht und geht, anders als in der ersten Lebenshälfte, nicht mehr von selbst weg, wird chronisch. Nach dem ersten Impuls, Probleme bzw. Krankheit zu ignorieren/verdrängen, ist es doch klug, sorgfältige Diagnostik und Therapie aufzusuchen. Darüber hinaus ist es sehr sinnvoll, die Zellfunktionen zu pflegen, zu schützen und zu verbessern mithilfe bewährter Naturstoffe.
Hallmarks of Aging
Seit ungefähr fünfzehn Jahren hat die Alterungsforschung aus vorher fragmentarischen wissenschaftlichen Erkenntnissen grundlegende Konzepte erstellt. So stellte Dr. Carlos Lopez-Otin, Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Universität Oviedo (Spanien) für einen Beitrag zur National Library of Medicine die Hallmarks of Aging (Faktoren des Alterns) vor:
- Geninstabilität
- Telomerverkürzungen
- Epigenetische Veränderungen
- Verlust der Proteostase
- Deregulierte Nährstoffsensoren
- Mitochondriale Dysfunktion
- Zelluläre Senezenz
- Stammzellenerschöpfung
- Veränderte zelluläre Kommunikation.
Verlust von Zellfunktion
Faszinierend sind die Bezüge der Alterungsforschung zur aktuellen Krebsforschung, aber auch zu dem bisherigen Wissen von der Entstehung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie der neurodegenerativen Erkrankungen. Das Altern wird da verstanden als fortschreitender Verlust von Zellfunktionen nach Schäden an den Zellstrukturen, den Membranen etwa, den Proteinen, den Chromosomen. Aus der beeinträchtigten Funktion resultiert Krankheitsanfälligkeit und vorzeitige Sterblichkeit.
Geninstabilität
Die Alterungsforschung zeigt nun näherungsweise genetische Wege und biochemische Reaktionen auf, von denen die Alterungsrate kontrolliert wird. Zu Recht steht bei den Alterungsfaktoren die Geninstabilität an erster Stelle. Von Zellteilung zu Zellteilung nimmt die Wahrscheinlichkeit von Replikationsfehlern zu. Und die Telomere werden kürzer, weitere Zellteilungen schwieriger. Epigenetische Faktoren kommen dazu, nicht zuletzt aus der Lebensweise und auch aus der Mentalität.
Selen und Cystein
Mit dem Sauerstoff, den wir atmen, entsteht nicht nur die notwendige Energie zum Betrieb unserer Körperzellen und des Stoffwechsels, sondern auch eine kleine Rate an Radikalen. Radikale sind hochreaktionsfähige, aggressive Moleküle, die Mikroschäden an Zellwänden, Zellstrukturen, vor allem an Mitochondrien und Chromosomen produzieren können. Natürlich weiß der Organismus davon – und verfügt über Radikalenfänger sowie über Reparaturmöglichkeiten. Die allerdings begrenzt sind und endlich. Für den Radikalenfang übrigens ist das Spurenelement Selen hochwichtig, aus dem zusammen mit der Aminosäure Cystein das Redoxsystem Glutathion entsteht. Das Selen ist daher elementarer Teil des Basisprogramm für längere Gesundheit von reformleben (s. reformleben #14).
Naturstoffe schützen
Arteriosklerose vorbeugen
Ungünstige Nahrung wirkt dabei mit. Langkettige gesättigte Fettsäuren, die ganz überwiegend aus dem Verzehr tierischer Produkte stammen, belasten den Zellstoffwechsel und lagern Lipidpartikel (LDL-C) an den Innenwänden der Arterien ab, erzeugen Arteriosklerose, die gefolgt wird von Durchblutungsstörungen und Infarkten. Mit konsequenter Ernährungsumstellung – und bei veranlagungsbedingter Hypercholesterinämie auch mit Medikamenten (Statinen) – kann entsprechender Krankheitsanfälligkeit samt vorzeitiger Sterblichkeit ziemlich gut begegnet werden. Je früher einsetzend, umso besser.
Metabolisches Syndrom
Besonders problematisch ist die Glucose, die aus langkettigen Polysacchariden langsam und – weit problematischer noch – aus raffinierten zugesetzten Zuckern (Saccharose, Rohrzucker, Traubenzucker) schnell freigesetzt wird. Daraufhin die Ausschüttung von Insulin stimuliert, die bei häufiger Wiederholung mit der Zeit zu Insulinresistenz der Körperzellen führt, danach zu Bauchfett und zum metabolischen Syndrom, mit Gefäßwandverfettung (Arteriosklerose), Fettleber, Bluthochdruck, später auch Niereninsuffizienz und Demenz. Bei den Schädigungsfaktoren greift da ein Zahnrad ins andere.
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In den Körperzellen verursachen permanent erhöhte Glucosespiegel aus dem Blut sowie dem Bindegewebe die Glykosylierung von Proteinen: Strukturproteine werden mit Zuckermolekülen überschwemmt, belastet und verbunden. Wodurch nicht nur ihre Struktur, sondern auch ihre Funktion leidet. Die Proteine werden daraufhin abnorm gefaltet, werden unlöslich und für den Stoffwechsel gewissermaßen unverdaulich. Sie bleiben deshalb in den Zellen abgelagert, verstopfend. Als Amyloid wird die klebrige Masse bezeichnet, mit der die Zellen erstickt werden und schließlich zu Grunde gehen.
Beschleunigte Zellalterung - Seneszenz
Unsere Medizin bekämpft die Folgen, aber nicht die Ursachen des Alterns
Alterungsfaktoren, die Hallmarks of Aging, sind im Grunde identisch mit den Faktoren häufiger Zivilisationserkrankungen, den sogenannten Risikofaktoren. Der Unterschied ist bloß die Reihenfolge: Erst Zellalterung, dann Krankheit. Dann erst setzt die moderne, eingreifende Medizin mit all ihrer Effektivität ein. Und bald darauf die Pflege. Kaum ein Bereich unserer Gesellschaft erfährt höhere Wachstumsraten. Pflege ermöglichen und fördern, pflegen ist gut, Pflege entbehrlich zu machen noch besser. Dem entsprechend haben die Vereinten Nationen die Dekade des gesunden Alterns – United Nations Decade of Healthy Aging 2021-2030 – verkündet. Der Pflegebedarf aber wird wahrscheinlich, zivilisatorisch bedingt, weiterwachsen.
Jetzt das Altern verlangsamen
Wir müssen frühzeitig, lange vor dem Typ II Diabetes, lange vor dem Bluthochdruck, lange vor dem Schlaganfall, lange vor der Herzinsuffizienz, lange vor dem offenen Bein, lange vor der Demenz präventiv aktiv sein. Lange vor der Seneszenz unserer Körperzellen.
- An erster Stelle steht die Bewegung, die körperliche Aktivität. Mindestens 30 Minuten pro Tag, gerne auch mehr.
- Dann die Ernährung. Tierische Fette, gesättigte Fettsäuren, Arachidonsäure minimieren, nicht nur Tierfleisch, sondern auch Milch, Milchprodukte und Eier.
- Kohlenhydrate weitgehend reduzieren, raffinierte Zucker sowie Produkte damit vollkommen meiden.
- Klar, ab und an eine Ausnahme darf sein. Und Kompromisse sind besser als gar keine Besserung.
- Gerade dann sind Schutzfaktoren noch wichtiger. Alphalinolensäure aus Leinöl, regelmäßig. Mindestens drei Esslöffel Leinöl pro Tag. Selen, ca. 100 μg täglich.
- Pflanzenstoffe gegen die Seneszenz unserer Körperzellen.
Seneszenz mit bewährten Pflanzenstoffen begegnen
Körperzellen, die seneszent sind, verlieren ihre Funktionen und belasten den Organismus mit Entzündungsmediatoren, erzeugen Entzündung, diffuse Schmerzen, sind gefährdet, bösartig zu werden. Natürlicherweise gehen sie mittels Apoptose zu Grunde, um durch jüngere, durch Zellteilung generierte Zellen ersetzt zu werden. Häufig ist aber gerade bei seneszenten Zellen auch die Apoptose gestört. Ansatzweise kann diese Störung mit geeigneten, lange bewährten Pflanzenstoffen behoben werden.
Catechine und Flavonoide
Synergien der Pflanzenwirkstoffe
Besonders sinnvoll – große Studien mit synergistisch wirkenden Naturstoffen wurden bisher kaum durchgeführt – dürfte das Zusammenwirken der genannten Pflanzenarten sein, für das dann wahrscheinlich keine außerordentlich hohen Dosierungen erforderlich sein werden. Lange schon werden diese Pflanzenarten in alten langlebigen Kulturen, allerdings noch nicht besonders standardisiert, gebraucht. Auch die hiesige Zivilisation sollte davon guten Nutzen haben.
Schopenhauer über „wirkliche“ Gelassenheit
Notwendiger Einsatz für nachhaltige Gesundheit
Ahnungsvoll schrieb der Philosoph, das Leben in den Jahren des Alters gleiche dem „fünften Akt eines Trauerspiels: man weiß, dass ein tragisches Ende nahe ist; aber man weiß noch nicht welches es seyn wird.“ Für viele Mitmenschen in unserer Zeit scheint diese Prognose noch zutreffender zu sein.
„Allerdings hat man, wenn man alt ist nur noch den Tod vor sich. Aber wenn man jung ist, hat man das Leben noch vor sich. Und es frägt sich, welches von Beiden bedenklicher sei."
Schopenhauers Frage an uns, die wir mit dem massiv angewachsenen destruktiven Potenzial der Menschheit, mit dem wachsenden Hass, brutaler Gewalt, all der Zerstörung von Leben, Umwelt und Zukunft heute noch viel intensiver konfrontiert sind, ist sogar noch bedrängender als damals. Nicht zur Resignation, sondern zur Bewältigung und Besserung. Der Einsatz für Bewahrung, Verteidigung, Frieden, Verständigung und Gesundheit ist notwendig.